Nachruf auf Papst Franziskus: Unser Bischofsvikar erinnert sich
- kommunikationkathbl
- 29. Apr.
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Papst Franziskus prägte mit seiner Amtszeit eine ganze Ära. Ich hatte die Gelegenheit, ihm dreimal zu begegnen – jedes Mal nur für eine Minute, aber jeder dieser Momente hinterliess einen bleibenden Eindruck. Bei jeder Begegnung verabschiedete sich der Papst stets mit den Worten: „Betet für mich.“ Diese einfachen Worte waren mehr als eine höfliche Floskel. Sie offenbarten die Demut eines Mannes, der auch als Leiter der grössten christlichen Gemeinschaft der Welt seine Abhängigkeit von göttlicher Gnade nie vergass.

Papst Franziskus veränderte sich während seiner Amtszeit nicht, sondern blieb der gleiche Mensch, den diejenigen kannten, die ihn bereits als Jesuitenpater und Erzbischof von Buenos Aires erlebten. Als er am 13. März 2013 zum Papst gewählt wurde, wählten die Kardinäle nicht nur einen neuen „Nachfolger des heiligen Petrus“, sondern auch einen Mann, dessen Persönlichkeit derjenige, der er als Jorge Bergoglio war, blieb – nur in einer neuen, aber dennoch vertrauten Rolle. Diese Konstanz in seiner Persönlichkeit zog sich durch sein gesamtes Pontifikat, und sie sollte ihn bis zu seinem Tod am Ostermontag, dem 21. April 2025, begleiten.
Papst Franziskus’ Amtszeit war von einer besonderen Nähe zu den Menschen geprägt. Er trat nie als unnahbarer Kirchenleiter auf, sondern als ein Hirte, der die Menschen auf Augenhöhe ansprach. Diese Nähe war mehr als nur eine symbolische Geste – sie war Ausdruck seines tiefen Glaubens und seiner Überzeugung, dass wahre Leitung nicht von oben herab, sondern durch ein offenes und aufrichtiges Miteinander entsteht. Er stellte Barmherzigkeit, Fürsorge und Menschlichkeit in den Mittelpunkt seiner Arbeit, und genau das machte ihn zu einem unkonventionellen, aber umso wirkungsvolleren Leiter.
Besonders eindrucksvoll war die Szene an Ostersonntag 2025. Trotz seiner erschöpften und schwachen Verfassung kämpfte Papst Franziskus dafür, den traditionellen Urbi et Orbi-Ostersegen auf dem Petersplatz zu halten. Zu diesem Zeitpunkt war er sichtbar gebrechlich, und als ich ihn so schwach und in gebückter Körperhaltung sah, dachte ich mir, dass es wohl nicht mehr lange dauern würde, bis er von uns gehen würde. Doch der Papst bestand darauf, zu den Pilgern auf dem Platz zu sprechen und ihnen seinen Segen zu erteilen. Was folgte, war eine Abschiedsgeste von besonderer Bedeutung: Papst Franziskus, der sich schon in den letzten Tagen seines Lebens befand, ging praktisch durch die Massen, um sich von den tausenden Pilgern zu verabschieden, die in diesem Moment versammelt waren. Dieser Akt des „Loslassens“, wie es auch sein Abschied von der Welt war, zeigte einmal mehr den unermüdlichen Einsatz des Papstes, immer bei den Menschen zu sein, bis zu seinem letzten Atemzug. Er ging nach Hause, zu seinem Vater im Himmel, aber nicht, ohne vorher noch einmal die Nähe zu denen zu suchen, die ihm so wichtig waren: den Menschen.
Eine Geschichte aus den frühen Jahren seines Pontifikats steht exemplarisch für diese Art der Leitung. An einem Morgen, als Papst Franziskus zu Fuss von der Casa Santa Marta, seinem Wohnsitz im Vatikan, unterwegs war, begegnete er einem Schweizer Gardisten, der ihm zu Ehren salutierte. Der Papst hielt an, fragte den Gardisten, wie es ihm gehe, und erkundigte sich weiter: „Hast du schon gegessen?“ Der Gardist antwortete, er werde erst nach seinem Dienst eine Pause machen. Ohne zu zögern ging der Papst zurück in das Restaurant der Casa Santa Marta, holte ein Sandwich und brachte es dem Gardisten. Der Gardist erklärte, dass er während seines Dienstes nicht essen dürfe, doch Papst Franziskus bestand darauf: „Du musst essen, das ist mein Befehl als Papst.“ Diese kleine Geste zeigte mehr als nur Fürsorge – sie spiegelte die Authentizität und das Verständnis des Papstes für die Bedürfnisse der Menschen wider.
Aber Papst Franziskus’ Einfluss reichte weit über persönliche Gesten hinaus. Er verstand sein Amt als einen Aufruf zur Barmherzigkeit. Diese Barmherzigkeit war die treibende Kraft seines gesamten Pontifikats. In seiner Enzyklika Laudato Si’ von 2015 stellte er den Umweltschutz als moralische Verantwortung in den Mittelpunkt. Er verband den Schutz der Schöpfung direkt mit sozialer Gerechtigkeit und erklärte, dass die Bewahrung der Erde nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein soziales Anliegen sei. Laudato Si’ wurde zu einem bedeutenden Dokument, das den Dialog zwischen Kirche, Wissenschaft und Gesellschaft über den Schutz der Umwelt und die Bewahrung natürlicher Ressourcen vertiefte.
Doch Papst Franziskus’ Ruf nach Barmherzigkeit ging über den Umweltschutz hinaus. In seinen Schriften wie Evangelii Gaudium und Fratelli Tutti betonte er die Bedeutung von Solidarität und Brüderlichkeit. Er forderte eine Gesellschaft, die die Bedürfnisse der Schwächsten in den Mittelpunkt stellt und dabei nicht nur nach abstrakten Werten, sondern nach konkretem Handeln strebt. Für Papst Franziskus war Barmherzigkeit kein blosses theoretisches Konzept, sondern eine Aufforderung, die in die Tat umgesetzt werden muss – sei es durch die Aufnahme von Migranten, den Schutz der Armen oder die Förderung sozialer Gerechtigkeit.
Papst Franziskus hinterlässt ein Erbe, das weit über seine Amtszeit hinauswirkt. Seine Enzykliken und sein Aufruf zur Barmherzigkeit sind nicht nur für Katholiken von Bedeutung, sondern für alle Menschen, die sich für eine gerechtere und nachhaltigere Welt einsetzen. Die Botschaften von Laudato Si’, Evangelii Gaudium und Fratelli Tutti fordern uns auf, Verantwortung zu übernehmen – für die Erde, für die Gesellschaft und für die Armen.
Papst Franziskus wird als „Apostel der Barmherzigkeit“ in Erinnerung bleiben – ein Papst, dessen Leitung von einer unerschütterlichen Überzeugung geprägt war, dass die Kraft der Vergebung und der Solidarität die Welt verändern kann. Seine Amtszeit war ein unaufhörlicher Appell an uns alle, die Freude des Evangeliums zu leben und Barmherzigkeit als aktiven Bestandteil unseres täglichen Lebens zu verstehen.
Dr. Valentine Koledoye, Bischofsvikar
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