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Alphornklänge und Bettagsmandat der Baselbieter Regierung

Jeweils der dritte Septembersonntag ist ein Feiertags-Unikum im kirchlichen Jahr - aber nicht im Kirchenjahr, denn während die meisten gesetzlichen Feiertage einen kirchlichen Ursprung haben, verhält es sich beim Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag genau umgekehrt: Dieser ist staatlich angeordnet und wird von allen christlichen Kirchen sowie von der Israelitischen Kultusgemeinde gefeiert.


Sicht- bzw. hörbar wird der staatspolitische Bezug in vielen Gottesdiensten durch das Verlesen des Bettagsmandats der Kantonsregierung .


Regierungspräsidentin Monica Gschwind unterstreicht im diesjährigen Mandat die wichtige Rolle der Kirche mit ihren christlichen Grundwerten des Gemeinsinns, der Solidarität und des sozialen Engagements. Damit passen ihre Zeilen perfekt zu den nur wenige Wochen zuvor publizierten Resultaten der Studie über die sozialen Leistungen der Baselbieter Landeskirchen.


Bevor wir Ihnen das diesjährige Bettagsmandat zur Lektüre vorlegen, möchten wir Sie noch etwas in Bettagsstimmung zurückversetzen, denn eine weitere Tradition in vielen Bettagsgottesdiensten ist das Erklingen des «Schweizerpsalms». Im folgenden Video intonieren sieben Alphörner die Nationalhymne in der unserem Landesheiligen Bruder Klaus geweihten Kirche des Kantonshauptorts (die Geschichte dazu finden Sie im Blogbeitrag zum Patrozinium):



Bettagsmandat 2023

Zeit, füreinander da zu sein! Haben Sie auch schon eine der neuen, leuchtend gelben Sitzbänke gesehen? Zum Beispiel vor der Kantonsbibliothek in Liestal. Und haben Sie womöglich gedacht, dass es eine Sommeraktion der Schweizer Wanderwege sei? Ist es aber nicht. Die gelben Sitzbänke sind Teil der nationalen Kampagne «Wie geht’s dir?», welche die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz, unterstützt von den Deutschschweizer Kantonen und der Stiftung Pro Mente Sana, durchführt. Die Bevölkerung ist eingeladen, innezuhalten, Kontakte zu knüpfen, einander zuzuhören und sich mit dem Thema der psychischen Gesundheit auseinanderzusetzen. Denn Gespräche können entlasten, helfen, Erleb-tes zu verarbeiten, und Kraft geben. Solche Gespräche und öffentliche Diskussionen tun Not. Denn viel zu vielen Menschen in der Schweiz geht es nicht gut. Gerade Jugendliche kämpfen mit Orientierungslosigkeit, Einsamkeit und psychischen Problemen. «Kinder und Jugendliche leben seit bald zehn Jahren in einer Dauer-krise», erklärt Professorin Susanne Walitza, Direktorin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Psychotherapie der Universität Zürich. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die an psy-chischen Problemen leiden, hat sich allein im vergangenen Jahr von 20 auf 30 Prozent erhöht. Was das Problem noch verschärft: Der Anstieg steht einem fast stagnierenden Angebot an Thera-pieplätzen gegenüber. Die Gründe für den massiven Zuwachs sind vielfältig: Klimakrise, Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflation. Kehren wir also zu Gesprächen zurück, die von Aufmerksamkeit und Respekt geprägt sind. Und stellen wir uns dadurch gegen Wutbürgertum, die generell wachsende Polarisierung, Hass und Hetze. Wenn wir unsere bewährte Konkordanzdemokratie und unsere Gesellschaft stärken wollen, dann müssen wir alle zum Zentrum, zur Ausgewogenheit, Sorge tragen. Und genau da sehe ich die Chancen und die Möglichkeiten der Kirchen. In der Stärkung des Ausgleichs! Fördern wir – Staat und Kirchen – daher das Gemeinwohl. Erhöhen wir unser Engagement für eine ausgeglichene und offene Gesellschaft, die sich auch für einsame und psychisch kranke Mitmen-schen einsetzt. Damit können wir der stetigen Individualisierung in unserer Gesellschaft entgegen-treten. Der Ethiker, Theologe und Kommunikationsprofi Stephan Feldhaus hat es in einem Inter-view in der Basler Zeitung auf den Punkt gebracht: «Man will sich mit möglichst wenig auseinan-dersetzen, frei sein, unabhängig sein. Und wir glauben, dass wir uns diese Formen der Individuali-sierung leisten können, weil es uns wirtschaftlich aufs Ganze gesehen gut geht». Und Feldhaus weiter: «Menschen brauchen Prinzipien und Werte für ihre Orientierung. Diese sind über Jahrhunderte und bis vor ein paar Jahrzehnten von privaten und öffentlichen Institutionen be-reitgestellt worden, egal ob diese gut oder schlecht sind: Familien, Parteien, Gewerkschaften, Ver-eine, Verbände – und vor allem auch Kirchen. Wenn man wollte, konnte man sich an diesen orien-tieren. Seit Jahren erodieren diese Institutionen aber immer mehr. Der Mensch findet da kaum noch Orientierung. Er zieht sich ins rein Private zurück. Oder er sucht sich die Bestätigung eben im Schrillen, an den Rändern». Stärken wir darum den Ausgleich und das Gemeinwohl unserer Gesellschaft! Dabei sehe ich für die Kirchen zwei zentrale Rollen: Einerseits die Funktion als Ratgeberin in ethischen Belangen und andererseits die Förderung des sozialen Engagements für die Geschwächten in unserer Gesell-schaft. Diese zwei Rollen werden von vielen Menschen noch heute anerkannt. Genau aus diesem Grund bezahlen viele ihre Kirchensteuern, obwohl sie persönlich seit Jahren keinen Gottesdienst mehr besucht haben. Das tut der Erkenntnis keinen Abbruch, dass allein schon die christlichen Werte in unserer Gesellschaft Gemeinsinn stiften und die Solidarität untereinander fördern. Religion und Kirche betten den Staat in ein grösseres Ganzes ein. Die Kirche ist eine Mahnerin für die Idee von Gerechtigkeit - und eben Ausgleich. Das ist auch der Grund, weshalb die Präambel in unserer Bundesverfassung auf den Allmächtigen und die Schöpfung verweist. Eine ausgeglichene und offene Gesellschaft bedeutet: Wir suchen das Gespräch miteinander, wir hören einander zu, wir nehmen einander ernst und begegnen uns mit Respekt, wir engagieren uns füreinander. Heute in der Kirche, morgen in der Nachbarschaft, im Dorf auf der gelben Sitzbank und natürlich zuhause in den eigenen vier Wänden. Der Bettag bietet eine gute Gelegenheit, den ersten Schritt zu wagen. Im Namen des Regierungsrats Monica Gschwind Elisabeth Heer Dietrich Regierungspräsidentin Landschreiberin

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