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10 Jahre im Landeskirchenrat - 10 Fragen an Joseph (Joe) Thali-Kernen

Er war einer der ersten Gemeindeleiter im Bistum Basel und feiert dieses Jahr sein zehnjähriges Jubiläum als Landeskirchenrat für das Ressort «Anderssprachige Seelsorge, Diakonie-Caritas, Soziales und Jugend»: Joseph Thali-Kernen oder einfach Joe Thali.

Für seine zehn Jahre im Landeskirchenrat haben wir ihm zehn Fragen gestellt.



Zum Aufwärmen ein paar Informationen über dich. Mit wem haben wir es hier zu tun?

Ich wurde in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts in Pfäffikon/ZH geboren und bin aufgewachsen in Hitzkirch/LU. Meine Eltern stammen aus grossen Bauernfamilien im Luzernischen. Beide konnten keinen Beruf lernen. Mein Vater arbeitete in einem Obstverwertungsbetrieb und meine Mutter war Hausfrau und machte Heimarbeit. Die materiellen Verhältnisse unserer Familie waren sehr bescheiden. Ich betrachte es als Privileg, dass ich trotzdem das Gymnasium an der Stiftschule Einsiedeln machen konnte. In der Maturabroschüre gab ich 1970 als Berufswunsch «Laientheologe» an. Nach der RS und einem Semester an der Universität Zürich mit Geschichte und Philosophie, wechselte ich an die Universität Freiburg im Breisgau und studierte dort im Hauptfach Theologie, Geschichte und Politische Wissenschaften im Nebenfach. Nach dem Staatsexamen 1975 trat ich im Herbst ein in den kirchlichen Dienst als Laientheologe in St. Josef Basel.

1986 wurde ich als einer der ersten Gemeindeleiter im Bistum gewählt für die Pfarrei St. Paul Rothrist. Ich wohnte mit meiner Familie im Pfarrhaus. In dieser Kirche weihte mich Bischof Candolfi zum Diakon und setzte mich ins Amt ein. 2002 übernahm ich die Leitung der Pfarrei St. Peter und Paul Frick. 2006 bis 2015 war ich Gemeindeleiter von St. Peter und Paul Allschwil und Gesamtleiter des Seelsorgeverbandes Allschwil-Schönenbuch.

Heute lebe ich mit meiner Frau Veronica Kernen in Allschwil am Stadtrand. Unsere vier Kinder sind schon lange ausgezogen und mittlerweile haben wir drei wunderbare Grosskinder.


Für die Bezeichnung deines Ressorts braucht es in den RKLK-Jahresberichten gleich zwei Zeilen. Erzähl mal, was genau sind deine Aufgaben im Landeskirchenrat?

Meine Schwerpunkte sind die Beziehungen zu den diakonischen Organisationen, die von der Landeskirche mitfinanziert sind. Ich bin in den Vorständen der Caritas beider Basel, der Telehilfe 143 Region Basel, der Ökumenischen Seelsorge für Asylsuchende Region Nordwestschweiz, der Leprahilfe Basel, dem Stiftungsrat Anlaufstelle BL für Asylsuchende, Präsident des Ausländerdienstes BL. Zusammen mit dem Bischofsvikar bin ich Kontaktperson für die Migrationsseelsorge in der Region. Im Weiteren bin ich in der Begleitgruppe der Fachstelle Jugend und der Regionalstelle JUBLA.


Das klingt nach vielen Sitzungen. Was genau ist deine Motivation für dieses Amt?

Ja, das stimmt. Es gibt Zeiten unter dem Jahr, die sehr intensiv und anspruchsvoll sind. Bei der zweiten Frage, zögere ich ein wenig. Aber ich versuche mal so zu antworten. Ein guter Freund von mir, der kongolesische Priester und Theologieprofessor, Joseph Kalamba, hat mir mal schreibend erzählt von einem Gespräch mit Bischof Felix, der gesagt habe «Joe Thali, lui est un veritable diacre-diacre de l’Eglise». Ich sage dazu, ja ich habe in meinem kirchlichen Dienst die Diakonie immer schwerpunktmässig gelebt. Ich bin heute der Meinung, dass in unserer Kirche das Amt als Diakon und Diakonin ins Zentrum rücken muss. Auch weil es biblisch bezeugt ist und der Schwerpunkt der jesuanischen Verkündigung bildet.


Du bist einer der drei pastoralen Vertretungen im siebenköpfigen Landeskirchenrat. Was ist dir dort wichtig?

Neben den vielen verpflichtenden Tagesgeschäften ist mir wichtig, immer wieder zu betonen, dass die Hauptaufgabe der Kirchen ist, auf der Seite der Machtlosen, der Hungrigen und Verarmten, der Verfolgten und Unterdrückten weltweit und der Leidenden bei uns und weltweit, zu stehen. Ich bin zutiefst im Herzen überzeugt, dass die Kirchen so eine unheimliche Kraft für das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit entwickeln könnten, eine utopische Kraft für die Welt.


An den Synodensitzungen und Kirchgemeindekonferenzen erhebst du immer wieder deine sonore Stimme für die soziale Frage: Wo stehst du politisch?

Bischof Felix hat kürzlich Folgendes gesagt: «Kirche ist keine Partei, aber sie sei immer Partei, nämlich für die Menschen, für die niemand einsteht. Sonst erfüllt die Kirche ihren Auftrag nicht». Damit stimme ich völlig überein. Bischof Joseph Candolfi hat mir bei der Diakonenweihe in Rothrist gesagt, es sei meine Pflicht als Diakon mich für die Schwachen und die Migrationsbevölkerung einzusetzen.


Seit bald 50 Jahren stehst du im kirchlichen Dienst und gehörst zur ersten Generation der Laientheologen. Wie war das damals und was hat sich seither geändert?

Für Viele aus der klerikalen Hierarchie in Basel und auch behördenseits noch in Rothrist wurden wir, wurde ich, als «notweniges Übel» oder Hilfspersonal angeschaut. Der Kirchengutsverwalter in Aarburg-Rothrist hat mich 1986 noch im Lohnblatt als «Hilfsgeistlichen» bezeichnet. Die Löhne waren sehr tief und reichten kaum für die sechsköpfige Familie. Dies hat sich verändert. Heute kämpfen teilweise wohl die Frauen, analog, um Anerkennung. Ich denke aber, dass sich die kirchlichen Dienste vervielfältigen in der Breite und Tiefe, auch in den Zulassungsbedingungen. Der tamilische Jesuit, Pieris Aloiyius, betont für die Zukunft der Kirchen das Evangelium bei Matthäus 25 «ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben» den Einsatz, ich füge hinzu die Knochenarbeit, für die Liturgie des Lebens.


Kannst du noch einige prägende Erlebnisse aus deiner fast 50-jährigen Tätigkeit erzählen?

In der Studienzeit war ich für einige Monate in der Schweizergarde und habe viele spannende Erfahrungen aus der Zentrale unserer Kirche mitgenommen. Auch in dieser Zeit arbeitete ich eine Zeitlang im Kibbuz Sarid in der Nähe Nazareths. Das Leben und die Menschen haben mich nachhaltig beeindruckt. Vor dem Beginn des kirchlichen Dienstes war ich einige Monate in Rwanda auf verschiedenen Missionsstationen der Weissen Väter. Prägend waren für mich zwei belgische Priester, Sylvain und Michel, in Kibangu. Ich erinnere mich lebhaft an den Umuganda, einen Frontag. Von jeder Familie kam eine Person zur Fronarbeit für die Commune. Mit einer Haue ausgerüstet, haben wir den Boden bearbeitet für eine neue Strasse. Und prägend sind auch die zwei Kongoreisen mit Joseph Kalamba. Darüber habe ich auch publiziert. Aus dem Alltag gab und gibt es unzählige tiefgehende Erfahrungen. Die zu erzählen würde zu weit führen.


Wie beurteilst du die Kirche generell und in unserem Kanton?

Ich möchte diese Frage einbetten in unsere Welt. Dabei kommt mir ein älterer Filialleiter eines Lebensmittelgeschäftes aus einem Film in den Sinn der in etwa Folgendes sagte: «Früher musste ich Hungrige satt machen und heute muss ich Satte hungrig machen». Wir leben in einer Welt, in der wir die Grenzen des Wachstums leibhaftig erfahren. Unser Klima spielt verrückt und erlaubt keine weiteren Eskapaden. Die jungen Leute haben Angst vor der Zukunft und «überfallen» die psychologischen Praxen. Ich stimme überein mit Papst Franziskus, der uns zur radikalen Umkehr motiviert. Frieden, Gerechtigkeit und Befreiung der Schöpfung sind unser Grundauftrag. Ich denke, dass wir hier in der Schweiz und im Kanton zu wenig machen.


Angenommen, du hättest freie Hand, die Kirche zu verändern. Was wäre dir wichtig?

Die Kirche ist in einem Transformationsprozess, der unumkehrbar ist. Absolute Priorität muss das Evangelium haben und nicht die Gesetze. Wir brauchen angesichts der Weltlage und der innerkirchlichen Debatten eine Revolution für das LEBEN.


Und da wir ein Newsletter der Kirche sind, haben wir noch ein paar Abschlussfragen zu deinen kirchlichen Favoriten:


- Hast du ein religiöses Vorbild?

Der Konzilsbischof, Don Helder Camara, aus Recife Brasilien.


- Lieblingskirche

Alle Kirchen, in denen ich in meinem Leben gebetet, gesungen und gefeiert habe.


- Liebstes Kirchenlied und/oder Gebet

Ein mehrstimmiges orthodoxes Kyrie (KG 70) und das Vater Unser


- Liebster Brauch

St. Nikolausfeier mit Heiligenlegenden, Versli, Lieder, Umzug und Bescherung.


- Wichtigster Bibeltext

Bergpredigt in Matthäus 5,1ff.


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