Jährlich über eine halbe Million Arbeitsstunden werden in den 71 Pfarreien und Kirchgemeinden der drei Baselbieter Landeskirchen geleistet. Dies ergab eine von den Landeskirchen bei der Fachhochschule Nordwestschweiz in Auftrag gegebene Studie. Bemerkenswert: Rund drei Viertel der gesamten Arbeitsstunden werden von Ehrenamtlichen geleistet. Die gesamthaften sozialen Leistungen der Landeskirchen des Kantons belaufen sich im Befragungszeitraum (Befragung im 2022, Zahlenbasis: Jahresrechnungen 2021) auf 33.64 Millionen Franken.
Wozu diese Studie?
Vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen haben sich die drei Landeskirchen des Kantons Basel-Landschaft (Evangelisch-reformierte, Römisch-katholische und Christkatholische Kirche) entschieden, ihre sozialen Leistungen für die Gesellschaft sichtbar zu machen. Zu diesem Zweck wurde die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) mit der Neuauflage einer im Jahr 2010 durchgeführten Sozialstudie beauftragt. Aufgrund des Befragungszeitraums wurden zusätzlich die Aktivitäten während der Pandemie sowie verstärkt das Thema Migration/Integration in die Befragung aufgenommen.
Wie werden «soziale Leistungen» definiert?
Als «soziale Leistungen» gelten jene Angebote, welche die Landeskirchen ohne vertraglichen Leistungsauftrag und zusätzlich zu den Gottesdiensten, den Kasualien (bspw. Taufen und Beerdigungen) und dem Religionsunterricht erbringen. Berücksichtigt wurden also hauptsächlich diakonische bzw. karitative Tätigkeiten der Kirchgemeinden, Fachstellen und Spezialpfarrämter, welche der gesamten Bevölkerung zugutekommen.
Wie werden die Studienresultate eingeschätzt?
Besonders erfreulich sind für Ivo Corvini-Mohn, Präsident der Römisch-katholischen Landeskirche, die guten Studienresultate angesichts des Befragungszeitraums, als viele langjährige Angebote der Pfarreien und Kirchgemeinden pandemiebedingt nicht in der gewohnten Form haben stattfinden können.
«Dank unseren bewährten Strukturen können wir aber oftmals sehr flexibel auf Herausforderungen reagieren», ist Christoph Herrmann, Präsident der Evangelisch-reformierten Landeskirche BL, überzeugt. «So war es zum Beispiel möglich, aufgrund der jahrzehntelangen Erfahrung in den Themen Migration und Integration im vergangenen Jahr innerhalb kürzester Zeit bereits bestehende Angebote für Geflüchtete aus der Ukraine auszubauen und auch neue aufzugleisen. Das verdanken wir auch dem Engagement von vielen Ehrenamtlichen.»
Kathrin Gürtler, Präsidentin der Christkatholischen Landeskirche BL, hebt insbesondere auch die gute ökumenische Zusammenarbeit auf lokaler wie auch auf kantonaler Ebene bei vielen Angeboten hervor. Dadurch können mehr Dienstleistungen angeboten werden und gleichzeitig profitiert ein grösserer Bevölkerungskreis.
Auch für Dr. Fabian Sander, Studienleiter der Fachhochschule Nordwestschweiz, sind die vielfältigen sozialen Leistungen der Kirchen bemerkenswert. «Das Ergebnis ist aus meiner Sicht als Sozialwissenschaftler gerade deshalb beachtlich, weil es aufzeigt, wie Hilfsbereitschaft, Fürsorge und Nächstenliebe – also das, was man gemeinhin auch als Altruismus bezeichnet – als Motor dieser freiwilligen Leistungen die Gemeinschaft und Gesellschaft stärken».
Was sind die wichtigsten Studienergebnisse?
• Insgesamt finden sich in den 71 Pfarreien und Kirchgemeinden des Kantons für das Jahr 2021 hochgerechnet ca. 2'326 soziale Angebote für die verschiedensten Zielgruppen mit unterschiedlichen Zwecke.
• Mit einer Anzahl von 695 Angeboten richten sich kantonsweit die meisten Angebote an Kinder und Jugendliche. Die Kategorie Partnerschaft, Ehe und Familie blickt auf eine Angebotspalette mit 164 Aktivitäten. Im Rahmen der Angebote für Frauen und Männer finden 674 Aktivitäten und im Bereich Seniorinnen und Senioren 362 Angebote statt. Im Bereich Kranke, Menschen mit Behinderung, u.a. (z.B. Häftlinge) sind 72 Angebote zu finden. Darüber hinaus existieren im Kanton 86 Angebote für sozial Schwache, 99 Angebote für Migrantinnen und Migranten, Anderssprachige, Asylsuchende, Geflüchtete sowie im Rahmen des allgemeinen Engagements 160 Angebote in sozialen Projekten im In- und Ausland.
• Gemäss der Hochrechnung haben im Referenzjahr 2021 etwa 574'117 Menschen die sozialen Angebote der Kirchen genutzt, was angesichts der nur etwa halb so hohen Anzahl an kantonalen Einwohnenden auf mehrfache Nutzung hinweist.
• In allen Kirchgemeinden des Kantons wurden hochgerechnet etwa 524'985 Stunden an Arbeitszeit für die Verwirklichung der Sozialangebote aufgebracht. Diese Zahl umfasst sowohl gegen Entgelt arbeitende Kräfte, d.h. haupt- und nebenamtlich in den Kirchgemeinden beschäftigte Personen, als auch unentgeltlich arbeitende Personen, allen voran Ehrenamtliche aus den Kirchgemeinden, aber auch andere Helferinnen und Helfer, die für ihr Engagement keine geregelte Entschädigung erhielten.
• Die Gesamtzahl der erbrachten Arbeitsstunden entspricht umgerechnet rund 274 Vollzeitäquivalenten und damit einem Lohngegenwert von etwa 20.9 Mio. CHF. Der Lohngegenwert der ehrenamtlichen Arbeit beträgt etwa 15.88 Mio. CHF, also rund drei Viertel. Auf Hauptamtliche entfallen ca. 4.63 Mio. CHF und auf Nebenamtliche rund 0.39 Mio. CHF.
• Die durch die diversen sozialen Angebote der Kirchgemeinden erwirtschaftete und erfasste Geldsumme beträgt ca. 8.67 Mio. CHF.
• Für die sozialen Leistungen der Fachstellen und Spezialpfarrämter, die von der Kirche mitgetragen werden, wurde ein Geldwert von ca. 3.18 Mio. CHF errechnet.
• Die Landeskirchen des Kantons Basel-Landschaft erbrachten zudem im Jahr 2021 soziale Leistungen an weitere Institutionen im In- und Ausland (klar kirchlich ausgerichtete Institutionen wurden vorab exkludiert) im Wert von ca. 0.89 Mio. CHF.
Die gesamthaften sozialen Leistungen der Landeskirchen des Kantons Basel-Landschaft im Jahr 2021 belaufen sich somit zusammen auf ca. 33.64 Millionen Franken und unterstreichen deutlich die Aussage, dass die Kirchen zu den wichtigsten sozialen Leistungserbringerinnen in der Schweiz gehören.
Wie werden die Resultate einem breiten Kreis bekannt gemacht?
Vergangene Woche wurden die Medien auf die Studienresultate aufmerksam gemacht. Erfreulicherweise haben die meisten regionalen Medien die Mitteilung aufgenommen. Eine Auswahl der Medienberichte sehen Sie ganz unten.
Begleitend zur Publikation der Studienresultate wurde ein Flyer erstellt. Dieser wird allen Ausgaben der nächsten Nummer von «Kirche heute» und «Kirchenbote» beigelegt. Zudem erhalten die Pfarreien eine Anzahl Flyer für ihre Schriftenstände.
Am 19. Oktober veranstalten die drei Landeskirchen zum Thema einen Infolunch für die Mitglieder des neu zusammengesetzten Landrats und des Baselbieter Regierungsrats.
Die Gesamtstudie und das Management Summary können hier heruntergeladen werden:
Bisheriges Medienecho (Auswahl)
Videobeitrag im «Kirchenfenster» auf regioTVplus
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